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Kathe Diehn-Bitt, Kind mit Katze, 1953

Kathe Diehn-Bitt, Kind mit Katze, 1953 Carl Lohse, Landschaft mit Fabrikschornstein, um 1919 Otto Manigk, Handtuchfelder, 1937-38 Kate Diehn-Bitt, Selbstbildnis in schwarzer Wäsche
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Malerei und Plastik aus den Sammlungen

Die Kunsthalle Rostock ist, wenn nicht die einzige Neugründung, so doch der einzige Neubau eines Kunstmuseums in der DDR geblieben. Vor allem durch die Biennalen der Ostseeländer, die künstlerische Positionen aus dem sozialistischen wie dem nicht sozialistischen »Lager« innerhalb des baltischen Raumes zusammenführten, erlangte sie über die Grenzen des Staates DDR hinaus einen positiven Ruf als innovative Institution für den Umgang mit aktuellem Kunstschaffen. Der Aufbau einer eigenen Sammlung vollzog sich, parallel dazu, eher unspektakulär – im Hintergrund.

Gesammelt wurde dennoch kontinuierlich: von der Gründung 1969 an über zwei Jahrzehnte bis ins »Wendejahr« 1989. Danach führten kleinere Ankäufe und Schenkungen nur noch sporadisch zu einer Erweiterung der Bestände.

Was die Sammlung der Kunsthalle Rostock heute ausmacht, lässt sich unter dem Begriff der ostdeutschen Moderne zusammenfassen: Kunst jener Region, die nach dem Ende des 2. Weltkrieges zur östlichsten Deutschlands wurde und in den Jahren von 1949 bis 1989 das Territorium der DDR umfasste – indessen nicht als »Kunst der DDR« schlechthin zu benennen. Vielmehr stellt die Sammlung ostdeutsche Kunst in einer Traditionslinie dar, die in die Zeit vor 1920 zurückreicht, also Verbindungen zur gesamtdeutschen Kunstgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts knüpft. Spezifik und Entwicklungspotential der Sammlung mit einem Bestand von derzeit etwa 520 Gemälden, 6000 grafischen Blättern und 200 Skulpturen liegen in diesem regionalen Bezug.

Auf seltene Art stehen Inhalt der Sammlung und Charakter des Baukörpers der Kunsthalle Rostock miteinander im Einklang.

Zu den Perlen der Rostocker Sammlung gehört ein kleiner, aber qualitätsvoller Bestand an Malerei und Handzeichnungen des Dresdener Spätexpressionismus und der Neuen Sachlichkeit – Beispiele einer die Spannungen und Nöte der damaligen Zeit reflektierenden Kunst. Ein Gemälde wie Bernhard Kretzschmars »Geburt« von 1919 zeigt, wie eine ganze Generation von Künstlern und Intellektuellen den 1. Weltkrieg erlebt hatte: als eine Katastrophe elementarer Natur, die mit schrecklichen Verlusten einherging aber auch mit der Chance einer Neudefinition überlebter Werte und Anschauungen.

Die Aufmerksamkeit für soziale Themen, ein Grundanliegen ostdeutscher Kunst bis in die Gegenwart hinein, hängt mit diesem Erleben zusammen.

So bei dem Maler Carl Lohse: Nicht nur seine Schützengrabenbilder sind von apokalyptischer Stimmung erfüllt, sondern ebenso das eher nüchterne Sujet seiner »Landschaft mit Fabrikschornstein«. Leiderfahrung ist umgesetzt in gesteigerte Emotionalität einer um Realismus bemühten Weltsicht.

Unter dem Eindruck der lebendigen, von widerstreitenden Auffassungen geprägten Kunstmetropole Dresden am Ende der 20er Jahre entstand das bedeutende neusachliche Frühwerk der Rostocker Malerin Kate Diehn-Bitt. Vom NS-Regime seit 1935 am Arbeiten gehindert, wurde diese Zeit ihres Lebens unangepasste und eigenständige Künstlerin auch in der DDR zumeist nur am Rande wahrgenommen.
Text: Dr. Katrin Arrieta

Führungen durch die Sammlung

jeden Dienstag, 16 Uhr
jeden Donnerstag, 11 Uhr
jeden letzten Sonntag im Monat, 16 Uhr
Sondertermine nach Vereinbarung

Anmeldung unter 0381/3817000 oder kunsthalle@rostock.de

Maximal 10 Personen. Die Teilnahmegebühren sind im Eintrittspreis zur Sonderausstellung enthalten. Die Führungen finden nicht an geschlossen Tagen (z.B. während des Ausstellungswechsels) statt. Besucher:innen, die nur die Sammlung besichtigen wollen, bezahlen 4 Euro.

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Egon Tschirch , Warnowfischer

Egon Tschirch , Warnowfischer Otto Niemeyer-Holstein, Feundinnen, 1972 Willi Sitte, Zwei weibliche Akte, 1962
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Kunst aus Mecklenburg-Vorpommern in den Sammlungen

Kunst aus Mecklenburg-Vorpommern ist ein Schwerpunkt der Sammlung der Rostocker Kunsthalle. Nach seiner Eröffnung 1969 unterstand das junge Museum 20 Jahre lang dem damaligen Rat des Bezirkes Rostock, größter der drei Nordbezirke der DDR, die gemeinsam das jetzige Mecklenburg-Vorpommern bilden. Zeitgenössische Kunst der Region sollte hier nicht nur besonders präsent sein, sie sollte sich auch mit jenem Ausschnitt internationaler künstlerischer Produktion messen können, wie er in der Kunsthalle zu den Biennalen der Ostseeländer immer wieder sichtbar wurde. Diesen Anspruch erheben hieß, beim Ausstellen und Sammeln regionaler Kunst das Qualitätskriterium sicher im Auge zu behalten. Fraglos gelungen ist das für den Teil der heutigen Sammlung, der durch zielgerichtete Ankaufspolitik zusammengetragen werden konnte. Andere Teile des Fundus sind im Zuge institutioneller Übereignungen und privater Vermächtnisse in die Kunsthalle gelangt – manches davon hat heute vor allem historischen Wert, manch anderes wurde zum bleibenden Glanzstück der Sammlung.

Der Sammlungsteil »Kunst aus Mecklenburg-Vorpommern« macht deutlich, welche Stellung die Region innerhalb der deutschen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts einnimmt: Weder Ausgangspunkt noch Zentrum avantgardistischer Bewegungen, hat sie vom künstlerischen Potential der Moderne doch vieles aufgenommen. Der herbe Reiz seiner Landschaft und ihre besondere Eignung zum Rückzug auch in politisch schwierigen Zeiten haben Kreative von überall her nach Mecklenburg-Vorpommern gezogen. Ihr Kommen und Gehen sorgte dafür, dass Kunst hier zwar am Rande, nicht aber abgekoppelt von der Entwicklung in den großstädtischen Metropolen stattfand. Als Kunst der Region ist sie daher im besten Sinne zeitgenössisch.

Zum kleinen, aber gewichtigen Fundus an Werken der klassischen Moderne in der Sammlung der Kunsthalle zählt das 1923 entstandene spätexpressionistische Bild »Warnowfischer« des Rostocker Malers Egon Tschirch (1889–1948). Mit der kristallin anmutenden Struktur des Bildraumes, in der sich das Licht der aufgehenden Sonne zu brechen scheint, erinnert dieses Gemälde an die ein Jahrzehnt zuvor entstandenen visionären Werke des Müncheners Franz Marc.

Unter dem Eindruck der lebendigen, von widerstreitenden Auffassungen bewegten Kunstmetropole Dresden am Ende der 20er Jahre entstand im Spannungsfeld zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit das bedeutende Frühwerk Kate Diehn-Bitts (1900–1978). Vom NS-Regime seit 1935 am Arbeiten gehindert, wurde diese Zeit ihres Lebens unangepasste und eigenständige Rostocker Künstlerin auch in der DDR nur am Rande wahrgenommen. Die Kunsthalle verfügt über zehn ihrer Gemälde, darunter Hauptwerke aus den 30er Jahren im Fundus sowie über einen großen Teil des künstlerischen Nachlasses als Dauerleihgabe im Hause. Eine umfassende Retrospektive, verbunden mit einer Monografie, schuf 2002 die Grundlage für eine tiefer gehende, in überregionale Zusammenhänge eingebundene Sicht auf Leben und Werk Kate Diehn-Bitts.

Seit den 1960er Jahren arbeiteten in Mecklenburg-Vorpommern zunehmend junge Künstlerinnen und Künstler. Sie hatten sich im Zuge jener wirtschaftlichen Entwicklungen hier angesiedelt, denen auch die Kunsthalle ihre Existenz verdankte. Das Rüstzeug eines akademischen Studiums in Berlin, Leipzig oder Dresden prägte ihren Anspruch an Kunst mindestens ebenso wie das Erlebnis der hiesigen Landschaft, die nun deutlicher als früher Zeichen einer industriellen Besitznahme trug. Bis heute ist ein solider Akademismus mit Figur und Landschaft im Mittelpunkt tragend für die Kunst der Region – er ist zugleich Grundlage für verschiedene Formen des künstlerischen Widerspruchs.

In der besten Tradition deutscher Bildhauerei der klassischen Moderne stehen die figürlichen Arbeiten von Künstlern wie Jo Jastram, Margret Middell, Wolfgang Friedrich oder Wilfried Schröder. Sie beziehen das in der Bindung an öffentliche Architektur definierte Menschenbild der antiken Plastik auf das Lebensgefühl des modernen, im sozialen Getriebe der heutigen Welt einsamen Menschen. Ziel seiner Sehnsucht ist das Reisen als physische, vor allem aber geistige Fortbewegung. Thematisch korrespondiert die Stadtlandschaft als Metapher für den sozialen Raum mit der Einzelfigur der Plastik.
Text: Dr. Katrin Arrieta