Thomas Hartmann
Wer schon einmal die Besucher eines Museums beobachtet hat, dem ist vielleicht aufgefallen, dass Bilder in den Ausstellungsraum hineinwirken, als wären sie von Kraftfeldern umgeben. Einige ziehen uns an. Um andere machen wir einen großen Bogen. Dem Künstler Thomas Hartmann ist das nicht entgangen. Er vergleicht dieses Phänomen mit unsichtbaren kosmischen Vorgängen, die im Vakuum des Weltalls wirken.
In diesem Vergleich deutet sich bereits an, dass der Künstler in großen Maßstäben denkt und arbeitet. Im lichtdurchfluteten White Cube der Kunsthalle Rostock finden seine Werke den idealen Platz, um ihre Wirkung zu entfalten. An den sieben Meter hohen Wänden lotet er feinfühlig die Reichweite seiner Gemälde über die Grenzen ihrer Leinwände hinaus aus, indem er mehrere um eine leere Mitte gruppiert. Dabei entsteht ein spannungsvolles Zentrum, um das die Bilder zu kreisen scheinen. Scheinbar streben sie nach außen, dennoch werden ihre Kräfte in der Mitte gebündelt. Seine Arrangements – die sogenannten „Hartmannschen Hängungen“ – laden dazu ein, über das Sein und das Nicht-Sein, über das Bestehen und das Vergehen nachzudenken.
Auch mit der Vergänglichkeit des eigenen Schaffens befasst sich der Künstler. Allein der Nachwelt überlässt er es jedenfalls nicht, seine Bilder zu bewerten und schon gar keinem Nachlassverwalter. Nicht sammelwürdige Gemälde zerstört er lieber selbst. Ein Lagerregal, überbordend gefüllt mit 300 zerstörten Leinwänden und deren Keilrahmen, wird zum Monument der Selbstermächtigung. Schreinartig türmt Hartmann die Relikte seiner Arbeiten zu einem neuen Kunstwerk auf. Selektion und Zerstörung sind Teil des künstlerischen Prozesses. Sie sind in einem Video dokumentiert, das auf einem Monitor inmitten des Regals in einer endlosen Schleife läuft.
Regale sind von zentraler Bedeutung für sein Werk. Sie sind zugleich Ordnungssysteme und Orte des Sammelns. Vor allem das Bücherregal steht als Metapher für das Fortbestehen im Angesicht der Vergänglichkeit und für Erneuerung. Diese Symbolik setzt Thomas Hartmann in einer Videoarbeit um, die in Kooperation mit dem Künstler Alexander Kluge entstanden ist. In ihr thematisieren beide die Herausforderungen der Gegenwart sowie die Bedeutung der Bildung und kulturellen Erbes für die Zukunft – Kino von Morgen.
Der seit einem halben Jahrhundert tätige Künstler lebt und arbeitet in Berlin und Nürnberg, wo er eine Professur für Malerei an der Akademie der bildenden Künste innehat. Neben der Videokunst bilden Malerei und Installation die drei zentralen Medien seines Schaffens. Sie sind die Säulen der Ausstellung, die vom 18. Dezember 2025 bis zum 01. März 2026 in der Kunsthalle Rostock präsentiert wird. Bild Oben: Thomas Hartmann Bewegte Seiten, 2022 145 x 115 cm, Ölfarbe auf Leinwand
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Rostocker Kunstpreis 2025