Wolfgang Mattheuer
Die Werkschau vereint über 80 der zentralen Gemälde Wolfgang Mattheuers; zu sehen sind Leihgaben aus allen wichtigen deutschen Museen, wie dem Frankfurter Städel, der Berliner Nationalgalerie, den Kunstsammlungen Dresden oder der Hamburger Kunsthalle sowie aus internationalen Museen, wie dem Mumok Wien und dem Ludwig Museum Budapest. Unter dem schlagkräftigen Titel Bilder als Botschaft liegt der Fokus der Ausstellung auf den gleichnishaften, metaphorischen Bildern Mattheuers, für die er weithin bekannt geworden ist. Als scharfer Beobachter seiner Zeit, stellt er in seinen Gemälden Fragen zum Zustand der Gesellschaft, zum Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft (Die Ausgezeichnete, 1974), von Natur und deren Domestizierung und Technisierung durch den Menschen (Ein weites Feld, 1973), von Freiheit und deren Scheitern (Hinter den 7 Bergen, 1973).
In der Ausstellung wird Mattheuers Sonderstellung deutlich, biblische Gleichnisse (Kain und Abel), mythologische Figuren (Ikarus, Sisyphos, Prometheus) und literarische Stoffe (Heinrich Heine) zu adaptieren, die er für seine Bildaussage transformiert, kombiniert, verdichtet und zu seiner eigenen Lebenswirklichkeit in Bezug setzt. Mittels Verknappung und Straffung der Form, die an Max Beckmann oder Karl Hofer erinnert, entstehen so eingängige Kompositionen, die der anfänglich eindeutigen Bildaussage doppelsinnige und oft gesellschaftskritische Inhaltsebenen hinzufügen. Sein einzigartiges Gespür für die Verquickung von Form und Inhalt begründet zudem die ikonische Wiedererkennbarkeit seiner Bilder und Skulpturen. Seine bisweilen surrealen Figuren (Horizont, Koloss II, 1970) stehen stellvertretend für die Befindlichkeiten einer ganzen Gesellschaft, manchmal eines ganzen Jahrhunderts. Exemplarisch hierfür ist seine Bildschöpfung des Jahrhundertschritts, ein kopfloses Wesen, welches von seinen Extremitäten regelrecht auseinandergerissen wird – ein Gleichnis für die Zerrissenheit des 20. Jahrhunderts zwischen den beiden Diktaturen.
Die Retrospektive zeigt auch Gemälde aus dem Spätwerk Mattheuers nach 1989/90, die bisher sehr selten öffentlich zu sehen waren. In ihnen potenzieren sich die Fragen nach Veränderung und Erfüllung der ersehnten Freiheit, insbesondere auch nach dem Systemwechsel. Dass diese Sehnsüchte und Hoffnungen weitgehend unerfüllt geblieben sind und gegen neue Unfreiheiten eingetauscht wurden, auch davon künden die späten Bilder (Hinter den 7x7 Bergen, 1993; Nichts Neues im neuen Jahrhundert, 2002).
Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung sind die Landschaften Mattheuers, der zu den großen Landschaftsmalern des 20. Jahrhunderts gehört, verortet zwischen romantischer Tradition und kritischem Realismus – ein romantischer Realist sozusagen. Die Landschaften sind Ausgangspunkt seiner autodidaktisch angeeigneten Malerei und machen mehr als die Hälfte seines malerischen Oeuvres aus. Sie sind in ihrer regionalen Verortbarkeit stimmungshafte Eindrücke der heimatlichen Umgebung und in ihrer unendlichen Weite ebenso Gleichnisse von Weltsicht.
Wolfgang Mattheuer wurde 1927 in Reichenbach im Vogtland geboren. Von 1947–1951 studierte er Grafik an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, der Malerei näherte er sich seit Beginn der 50er Jahre autodidaktisch. Nach einer Lehrtätigkeit an der Leipziger Kunsthochschule, ab 1953 als Assistent, ab 1965 als Professor, gab er diese schließlich 1974 auf, um forthin freischaffend zu arbeiten. Mattheuer zählt neben Werner Tübke und Bernhard Heisig zu den Begründern der Leipziger Schule, die den Realismusbegriff in der ehemaligen DDR mit ihren mehrdeutigen, metaphorischen Bildern revolutionierten.
Parallel werden im Schleswig-Holstein-Haus Kulturforum der Landeshauptstadt Schwerin vom 1. Juli bis zum 20. August sowie in der Galerie Joost van Mar in Rostock-Warnemünde vom 5. August bis 17. September die grafischen Arbeiten von Wolfgang Mattheuer aus der Sammlung der Kunsthalle Rostock gezeigt.
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