Werner Tübke / Michael Triegel
Malerei, einst die unangefochtene Königsdisziplin aller Künste, ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten mehrfach tot gesagt worden, umschließend immer wieder eine Renaissance als Non-plus-ultra künstlerischen Ausdrucksvermögens zu erleben. Besonders extrem fielen in diesem wechselhaften Auf und Ab des Kunsturteils die Bewertungen des Figürlichen in der Malerei aus. Dabei standen oft auch die Künstler der Alten wie der Neuen Leipziger Schule im Zentrum der Aufmerksamkeit, da sie aufgrund ihres Beharrens auf dem Figürlichen entweder als Beispiele einer anachronistischen Kunstauffassung herhalten mussten oder angesichts ihres überragenden Könnens als Kronzeugen einer Gattung galten, deren dauerhafter Platz im Kanon der Kunstgeschichte allein schon durch ihren kommerziellen Erfolg und den Zuspruch des Publikums belegt werden kann. Hieran knüpft die Ausstellung „Werner Tübke und Michael Triegel – Zwei Meister aus Leipzig“ an, wenn sie sich zwei Protagonisten der Leipziger Schule zuwendet, die in besonderem Maße sowohl für die technische Perfektion figürlicher Malerei stehen als auch für deren Steigerung zu einem phantastischen Realismus. Anspruch der Ausstellung ist dabei, die Vollkommenheit von Malerei auf allerhöchstem Niveau mit einer Auswahl repräsentativer Exponate zu präsentieren. Es geht also um phantastische Malerei im doppelten Wortsinn: phantastisch im Sinne einer Bewertungskategorie und phantastisch im Sinne einer Charakterisierung von Malerei, die in der Brillanz ihrer „ars combinatoria“ die Versatzstücke aus Realität und Kulturgeschichte in einer Synthese verschmilzt.
Werner Tübke (1929-2004) gehört zu den Gründungsvätern der Leipziger Schule. Sein Oeuvre zeichnet sich aus durch technische Perfektion und eine intellektuell hoch reflektierte Anverwandlung von Typen und Archetypen der europäischen Kulturgeschichte, die Tübke in seinen Bilden zu teilweise grotesken Phantasmagorien zusammenführt. Als ein künstlerisches Alter Ego Tübkes kann der fast zwei Generationen jüngere, 1968 in Erfurt geborene Michael Triegel gelten, denn in Technik, Rückgriff auf historische Typologien der Kunstgeschichte und in seinem hohen intellektuellen Reflexionsniveau erscheint er geradezu als Musterschüler des älteren Künstlers. Dabei standen Tübke und Triegel in keinem eigentlichen Lehrer-Schüler- Verhältnis zueinander. Was sie eint, sind herausragendes Talent, technische Perfektion und die Brillanz der Phantastik sowie die gemeinsame Tradition einer Malerei, deren Bedeutung sich gerade in den letzten beiden Jahrzehnten immer deutlicher manifestiert, erkennbar auch am aktuellen Malerei-Boom und an einer Neuberwertung der Leipziger Schule durch Wissenschaft und Kunstkritik. Was die beiden Künstler ebenfalls eint, ist eine Breite der Bildsujets, die mal mehr, mal weniger verschlüsselt – das gesamte Spektrum der condition humaine abdeckt.
Die Ausstellung kreist konzeptuell um mehrere Themenkomplexe. Ein Fokus liegt hierbei auf der „ars combinatoria“, in der beide Künstler in unterschiedlicher Art und Weise das Phantastische und (scheinbare) Groteske zu kühnen Bilderfindungen steigern: Tübke oft mit einer feingliedrigen Malerei, die Detail versessen ein zuweilen grotesk anmutendes Personal in ebenso realistische wie phantastische Landschaften versetzt und dort scheinbar geheimnisvolle Dinge tun lässt, und Triegel mit einer magischen Kombinatorik bedeutungsschwerer Versatzstücke und Bildtitel, deren synkretistische Verschmelzung einen eigenständigen Kosmos der Malerei bildet.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verwendung christlicher Bildtypologien durch beide Maler. Zu diesen Bildtypen gehören beispielsweise Verkündigung, Abendmahl, Kreuzigung und Beweinung sowie die Darstellungen von Engel und Engelsstürzen.
Im Oeuvre der beiden Künstler finden sich diese und ähnliche Themen in großer Zahl, zum einen als Ausdrucksform verwandter Bildinhalte und zum anderen als Formeln für völlig neue Sujets.
Eine weitere zentrale Kategorie sind die in den Werken beider Künstler zahlreich vertretenen Selbstbildnisse, wobei die Selbstinszenierung des Künstlers mit Blick auf die europäische Kunstgeschichte einen Schwerpunkt bildet und die Verwendung des hristomorphen Selbstporträts einen anderen. Hinzu kommen die für beide Maler ebenfalls typischen Rollenporträts, in denen das Künstlersubjekt in ein oft mit Träumen und Visionen versehenes Paralleluniversum der Malerei, in eine phantastische Gegenwelt, wechselt, das u.a. mit Puppen, Marionetten und Harlekinen bevölkert ist.
Ein bislang kaum beachtetes und überhaupt noch nicht in Ausstelllungen vertretener Aspekt der beiden Leipziger Maler sind Gemälde, die sich dem Themenkomplex Familie, Kind, Frau, Partnerin und Freundeskreis widmen. Hierbei stehen das Wachsen und Werden der eigenen Familie ebenso im Mittelpunkt wie das Zelebrieren von Familienfesten sowie tragische Brüche und Ereignisse, die von beiden Malern in Gemälden mit Blick auf die eigene Künstlerexistenz thematisiert und dabei in phantastische Allegorien gekleidet werden.
Eugenio Recuenco
Bilder machen Schule
Rolf Werner
Claude Viallat
Catalina Pabón